Lilienthal. Über 26 Jahre ist das her. Als Christine Beulshausen am 1. Juni 1991 bei der Volkshochschule (VHS) in Lilienthal anfing, stand ihr Schreibtisch im Flur, die Kollegin Antke Bornemann arbeitete in der Küche. Im Alten Amtsgericht war das, in der Wohnung über dem Nebeneingang. Es gab zwei Computer, aber das Internet hatte keiner auf dem Schirm. „Wir haben damals nur mit Briefen agiert“, sagt Christine Beulshausen. „Was anderes gab es gar nicht.“ Es sind bewegte und bewegende Jahre, die hinter der 64-Jährigen liegen. 20 Jahre hat sie die Volkshochschule geleitet. Jetzt naht das Ende ihres Arbeitslebens. Am 22. Dezember wird sich die Lilienthalerin von ihren Mitarbeiterinnen verabschieden.
Die Tage im Flur waren bald vorbei. Die VHS zog um. Im Einfamilienhaus am Mühlendeich, das der Gemeinde gehörte, richtete Christine Beulshausen ihr Büro ein. Es gab nur zwei pädagogische Mitarbeiter, den VHS-Leiter Harald Paul und sie. Dazu kamen zwei Verwaltungskräfte.
Christine Beulshausen, die Germanistik und Romanistik studiert hatte, kam von der Ländlichen Erwachsenenbildung (LEB). Als Bezirksleiterin war sie in den Landkreisen Stade und Cuxhaven unterwegs gewesen. „Da hatten wir Computer mit, wenn wir auf Reisen gingen.“ In Gasthöfen und Dorfgemeinschaftshäusern holten die Pädagoginnen Bildschirme, Rechner und Tastaturen aus den Kartons, bauten alles auf und gaben EDV-Kurse. „Dann haben wir die Computer wieder in die Kartons gepackt und sind zurückgefahren.“ Die elektronische Datenverarbeitung (EDV) wurde in Firmen immer wichtiger. Frauen brauchten Computerkenntnisse, wenn sie nach der Familienpause zurück wollten in den Beruf.
Theater: VHS nimmt Schwellenangst
Schnee von gestern. Rückblende in eine Zeit, die ohne Smartphones, Internet und soziale Netzwerke wie Facebook auskam. Bei der Volkshochschule kümmerte sich Christine Beulshausen in den 1990er-Jahren um das Gesundheitsprogramm und um die berufliche Weiterbildung. Die VHS zog ins Kulturzentrum Murkens Hof, wo auch die Bibliothek der Gemeinde eingerichtet wurde. Die ist die modernste und größte im ganzen Landkreis.
Der 1. Januar 1998 war ein wichtiges Datum im Leben der 64-jährigen: Sie übernahm die Leitung der VHS und die Leitung des neu geschaffenen Fachbereichs vier der Gemeindeverwaltung für Bildung und Kultur. Vorher gab es im Rathaus keine übergeordneten Fachbereiche, nur Ämter und Abteilungen. Die Verwaltungsreform von 1998 änderte das. In Beulshausens Augen war das ein großer Fortschritt. „Durch den Fachbereich und den zuständigen Fachausschuss konnten wir unsere Themen Kultur und Erwachsenenbildung sehr konstruktiv mit den Politikern erörtern.“ Das war Christine Beulshausen immer wichtig. Denn sie wusste, dass die Bibliothek und die VHS, das Kulturamt, Murkens Hof und die damals noch existierende Gästeinformation freiwillige Leistungen der Gemeinde waren, keine Pflichtaufgaben wie Schule oder Feuerwehr. „Das hat unsere Arbeit nicht gerade erleichtert in finanziell schwierigen Zeiten.“
Die Zeiten sind nicht leichter geworden. Zum 1. Januar 2018, wenn Christine Beulshausen in Rente geht, wird der Fachbereich vier abgeschafft. Man spürt ein bisschen Sorge, wenn sie sagt, dass es jetzt darum gehe, dass die Kultur und die Erwachsenenbildung ihren Platz in der politischen Diskussion behielten. „Denn die Gemeinde lebt von dem, was sie im Kulturbereich, aber auch im Sport und im Freizeitbereich zu bieten hat.“
Für die Kultur hat Christiane Beulshausen gekämpft, mit Worten natürlich, auch für die Bibliothek und die VHS. Überzeugungsarbeit in Zeiten knapper Kassen. Wie wichtig die Volkshochschule sein kann, sieht sie jedes Jahr bei der Kooperation mit dem Bremer Goethe-Theater. „Sechs- bis siebenmal im Jahr sind wir da“, sagt sie. Dann sind Menschen dabei, die noch nie im Theater waren, Kinder und Erwachsene. Allein wären sie nicht hingegangen. Die Volkshochschule nimmt ihnen die Schwellenangst. Die Kinderstücke will die scheidende VHS-Leiterin weiter begleiten, künftig macht sie das ehrenamtlich.
Heute beschäftigt die VHS, deren Bereich sich von Lilienthal auf Grasberg, Worpswede und Ritterhude erweitert hat, zehn Teilzeitkräfte. Zwei davon sind befristet eingestellt für das Projekt Inklusive Gemeinden (Inge), sie bereiten Schulen und Kitas auf die Aufgabe vor, jedes Kind mitzunehmen und zu fördern, ob mit oder ohne Behinderungen, mit oder ohne Sprachkenntnisse. Beulshausen fährt vor dem Ende ihrer Dienstzeit noch nach Hannover ins Ministerium, um die Verlängerung des Projekts zu erreichen. „Es ist eines der besten in Niedersachsen.“
Früher, als sie anfing, gab es nur die Volkshochschule. Heute bieten Sportvereine Yoga-Kurse an. Stiftungen und Seniorenhäuser bilden Erwachsene. Durch die Digitalisierung entstehen Online-Angebote. Überflüssig wird die Volkshochschule dadurch keineswegs, das betont Christine Beulshausen, im Gegenteil. Das Lernen in der Gruppe sei prägend in der VHS. „Das bedeutet, mit anderen diskutieren zu lernen und die Leute so zu nehmen wie sie sind.“ Deshalb seien auch die Deutschkurse für Flüchtlinge „immer mittendrin, da, wo auch die Englischkurse und die anderen Sprachkurse sind. Mittendrin, das ist mir wichtig.“ Es gehe darum, Demokratie zu lernen und zu üben: „Da hat die Volkshochschule eine lange Tradition.“